QUEERKRAM

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Queer.de präsentiert den queeren Podcast mit Nollendorfblogger Johannes Kram

Benjamin Gutsche und Nataly Kudiabor über "All you need" und Vielfalt in Film und TV

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Regisseur Benjamin Gutsche und Produzentin Nataly Kudiabor sprechen über das Casting der ersten queeren ARD-Serie, Vielfalt in Film und TV, das Ende des linearen Fernsehens.

Das Medienecho zur ersten queeren ARD-Serie war enorm, und Das Erste bewirbt die in der Mediathek versteckte schwule Dramedy immerhin linear zur besten Sendezeit. Autor und Regisseur Benjamin Gutsche und Produzentin Nataly Kudiabor von der UFA Fiction können also recht zufrieden sein, oder?

Im neuen QUEERKRAM-Podcast hat Johannes Kram die Beiden im Doppelpack zu Gast, um über die Serie als "Pilotprojekt" und über Queerfeindlichkeit und Rassismus im deutschen Fernsehen insgesamt zu sprechen. Ihm sei die "wahnsinnige Verantwortung" früh bewusst gewesen, für die ARD eine Serie mit vier schwulen Hauptfiguren, darunter der Schwarze Vince und der Deutsch-Iraner Levo, zu schreiben, erzählt Gutsche, der selbst ein weißer schwuler Mann ist. Er habe geahnt: "Alle aus der queeren Szene werden ihre Erwartungen, ihre Erfahrungen auf unser Projekt projizieren." Bewusst habe er deshalb auch Rassismus und Homophobie in die Story eingebaut. "Unser Anspruch war, unterhaltend zu sein und noch eine Message mitzugeben", ergänzt Produzentin Nataly Kudiabor, eine schwarze nicht-queere Frau.

Die größte Überraschung – und häufige Kritik – an der Serie ist, dass ausgerechnet vier heterosexuelle Männer die vier schwulen Hauptrollen spielen. Geplant war das nicht, sagen Gutsche und Kudiabor etwas kleinlaut im Podcast. Castingagenturen hätten die – vor #ActOut gestellte – Anfrage nach schwulen Schauspielern nicht beantworten können. Im kurzen Auswahlprozess hätten sich zwar Kandidaten emotional geoutet, so der Regisseur. "Es ist aber nicht der einzige Aspekt, der wichtig ist im Casting-Prozess, dass die sexuelle Orientierung stimmt."

Im Gespräch mit Johannes Kram verraten Gutsche und Kudiabor neue Details, wie die Serie entstanden ist, was sie bei der Produktion voneinander gelernt haben und was sie in der bereits beauftragten zweiten Staffel alles anders machen wollen.

Das größere Thema, das alle drei bewegt, ist die Frage, warum das deutsche Fernsehen noch immer nicht die gesellschaftliche Vielfalt abbildet und rassistische Klischees reproduziert. "Immer wieder haben Leute über Sachen geschrieben, über die sie keine Ahnung haben", analysiert die Produzentin. Damit sich was ändert, müssten Menschen aus marginalisierten Gruppen in Entscheidungs-Positionen kommen – notfalls mit Hilfe von Quoten. Benjamin Gutsche gibt sich selbstkritisch und fordert Minderheiten auf, ihre Sichtbarkeit aktiver einzufordern: "Ich bin Teil des Problems gewesen. Ich habe nie dafür gesorgt, dass mehr geht."

Die beiden Podcastgäste würdigen die Verdienste von #ActOut und kritisieren dabei "FAZ"-Feuilletonchefin Sandra Kegel, die sich über das Manifest der queeren Schauspieler*innen lustig machte. Insgesamt sehen sie einen langsamen Wandel zu mehr Vielfalt, sprechen von "Bewegung" und "Umbruch", und doch setzen sie ihre Hoffnung nicht mehr auf das lineare Fernsehen. Sie finden es deshalb auch gar nicht schlimm, dass "All you need" als erstes großes Projekt der ARD exklusiv für die Mediathek produziert wurde. "Die ARD investiert in non-linear, weil das die Zukunft ist", sagt Nataly Kudiabor. "Sehgewohnheiten haben sich verändert", meint auch Benjamin Gutsche. "Wer richtet denn noch seine Tagesgewohnheiten nach dem Fernsehen aus?"

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Micha Schulze, queer.de 15. Mai 2021

Sigrid Grajek über queer in den 1920ern, Wolfgang Thierse und die Lust auf Kneipe nach Corona

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Die Berliner Künstlerin Sigrid Grajek spricht über queere Selbstdefinitionen und Generationenkonflikte, die Aktion #Allesdichtmachen, natürlich Claire Waldoff und was wir von den 1920er Jahren lernen können.
Wer Sigrid Grajek einmal live erlebt, wird sofort ein Fan. Ihre Interpretationen von Liedern der 1920er Jahre sind eine absolut mitreißende und hochemotionale Zeitreise. Wenn die lesbische Berliner Künstlerin, Jahrgang 1963, die großen Weimarer Hymnen schmettert, tobt die queere Szenekneipe ebenso wie das Hohenschönhausener Senior*innenheim.

Das Coronavirus macht ihren Auftritten seit über einem Jahr einen Strich durch die Rechnung, aber so hatte Grajek immerhin Zeit für ein längeres Gespräch mit Johannes Kram. Von einem "Berufsverbot", wie es andere Künstler*innen nennen, will die Sängerin, Kabarettistin und Schauspielerin im neuen QUEERKRAM-Podcast allerdings nichts wissen. "Ich sitze lieber noch ein Jahr zu Hause, als dass ich einen Menschen gefährde", verteidigt sie die Kontaktverbote. Hin und wieder gebe sie Wohnzimmerkonzerte via Zoom. Die Aktion #Allesdichtmachen erklären Grajek und Kram auch mit der "narzisstischen Kränkung" einiger auftrittsverwöhnter Künstler*innen in der Pandemie.
Die Sängerin, die mit ihrem Claire-Waldoff-Programm fast 500 Mal auf der Bühne stand, wird im Podcast sehr persönlich. Sie berichtet von ihrem dramatischen Coming-out in Lünen, das dazu führte, dass sie mit 16 Jahren ihre geschockte Mutter verließ, die Schule abbrach und in ein besetztes Haus in Dortmund zog. Den Begriff "Lesbe" habe sie sich damals erst erarbeiten müssen. "Ich komme aus einem katholischen Elternhaus, da gab es das Wort nicht."

Heute sei ihre Mutter ihr größter Fan und widerspreche jeder queerfeindlichen Äußerung, berichtet Grajek. Verständnis brauche Zeit. Überhaupt gibt sich die Künstlerin sehr gelassen, egal ob es um Generationenkonflikte oder den Streit um Selbstdefinitionen geht. Zu Wolfgang Thierses Attacken gegen "linke Identitätspolitik" meint sie nur: "Die Revolutionäre von gestern sind die Konservativen von heute. Das war schon immer so."
Dass lesbische Identitäten in der jungen queeren Generation eine geringere Rolle spielen, findet Grajek nicht schlimm. "Ich habe als junge Lesbe für meine Zukunft, wie ich sie mir vorgestellt habe, gekämpft und bin damit angeeckt bei der damaligen Mehrheitsgesellschaft." Nun gestalteten viele junge Menschen "mit komplett anderen Begriffen" ihre Zukunft. "An mancher Stelle geht es einfach darum, denen das Feld zu überlassen", rät Grajek. Jede sei sie nun mal ein Kind ihrer Zeit: "Wenn ich heute 17 wär', dann wäre ich vielleicht nonbinär."

Immer wieder kommen Johannes Kram und Sigrid Grajek im Podcast auf die 1920er-Jahre zu sprechen, auf die große queere Freiheit nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin, als es weitaus mehr Szenekneipen gab als heute und bereits dieselben Debatten über Anderssein und "Normalität" geführt wurden. Was wir aus dieser Zeit lernen können, fragt Kram am Ende des Gesprächs. Grajeks Antwort: "Wir können auf jeden Fall lernen, dass das Leben weitergeht."
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Micha Schulze auf queer.de, 9. Mai 2021
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Jens Brandenburg über das neue queere Profil der FDP und Aufzugfahren mit Alice Weidel

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FDP-Politiker Jens Brandenburg spricht über Queerpolitik im Bundestag, seinen Kampf für die "Familie für alle" und wie es ist, Alice Weidel im Fahrstuhl zu treffen.
Am 11. Oktober 2018 sorgt Jens Brandenburg für einen Gänsehautmoment im Deutschen Bundestag. Der FDP-Politiker, der erst seit 2017 im Parlament sitzt, spricht zu einem Antrag der AfD, die Ehe für alle wieder abzuschaffen, und wird am Ende sehr persönlich: "Seit 15 Jahren lebe ich einer sehr glücklichen Partnerschaft mit meinem Mann, und keine einzige Sekunde davon möchte ich missen", sagt Brandenburg. "Dieses Glück, diese Liebe und auch diese Lebensfreude werden wir uns durch Ihren Hass und Ihre Kaltherzigkeit nicht nehmen lassen. Die Ehe für alle bleibt". Für seine Rede erhält er langen Beifall von allen demokratischen Fraktionen.

Aus seiner Homosexualität hat der 35-jährige FDP-Politiker nie ein Geheimnis gemacht, queer.de-Leser*innen wissen seit langem Bescheid, und doch markierte seine starke Rede vor zweieinhalb Jahren im Plenum eine Art öffentliches Coming-out. Im QUEERKRAM-Podcast von Johannes Kram spricht Brandenburg erstmals über die Vorbereitung, die eigenen Zweifel und die anschließenden Reaktionen.

Die Politiker der Liberalen hat sich das gut einstündige Gespräch redlich verdient. Jens Brandenburg mag vielleicht nicht mit besonders viel Charisma gesegnet sein, doch neben Ulle Schauws und Sven Lehmann von den Grünen ist er der mit Abstand fleißigste und kompetenteste Queerpolitiker im Parlament. Der frühere Ehrenamtler beim Schulaufklärungsprojekt SCHLAU nimmt seinen Job nicht nur ernst, er brennt auch für die Themen, gibt der FDP ein glaubwürdiges queeres Gesicht.

Seine Partei verteidigt er im Podcast selbstbewusst. Muffige Attacken auf sogenannte Identitätspolitik wie in der SPD seien in der FDP nicht zu befürchten, meint Brandenburg. "Selbstbestimmung und Freiheitsrechte stecken in unserer DNA." Die gesamte Fraktion hätte ihn auch bei den starken Angriffen auf seinen Entwurf eines transfreundlichen Selbstbestimmungsgesetzes in Schutz genommen.

Mit seinem Vorstoß, die nichtkommerzielle Leihmutterschaft zu legalisieren, betritt der FDP-Politiker nicht nur queerpolitisches Neuland, sondern treibt auch die anderen Parteien vor sich her. "Auch die Grünen könnten noch LGBT-freundlicher werden", sagt er im Podcast – und prägt ein neues Schlagwort. Nach der Ehe für alle fordert er die "Familie für alle".

Im Gespräch mit Johannes Kram erzählt Jens Brandenburg wenig Privates, plaudert als Profipolitiker aber zumindest aus dem Nähkästchen. Was bei den Frühstücksrunden mit allen queerpolitischen Sprecher*innen vereinbart wird und wie er sich verhält, wenn er Alice Weidel im Fahrstuhl trifft. Warum Guido Westerwelle für ihn ein Vorbild war und welche Regierungskoalition er sich nach der Bundestagswahl wünscht.

Energisch plädiert Jens Brandenburg im Podcast für mehr Solidarität in der queeren Community – und für mehr Engagement. "Es reicht halt nicht nur zu feiern, wir haben auch in diesem Jahrzehnt viele wichtige queerpolitische Themen, für die wir kämpfen müssen". Sätze, die man aus der FDP früher eher selten gehört hat…

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Micha Schulze auf queer.de, 27.03.2021

Julian F. M. Stoeckel über sich als "laute Tunte" und das Dschungelcamp als Volksaufklärung

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Julian F. M. Stoeckel spricht über LGBTI-Aufklärung im Dschungelcamp, seine Freundschaft mit Wolfgang Bosbach, die Lippen von Harald Glööckler und den Wert einer akzeptierenden Familie.

Wenn ein Aktivist auf einen "It-Boy" trifft, dürfen wir uns auf einen ganz besonderen Podcast freuen: In der 19. QUEERKRAM-Folge erleben wir Talkmaster Johannes Kram zum allerersten Mal für einen ganz kurzen Moment sprachlos, während sich sein Gast Julian F. M. Stoeckel gleich mehrfach über Fragen wundert, über die noch nie nachgedacht hat. Am Ende ist das gegensätzliche Talk-Duo ganz erstaunt, wie schnell die gemeinsame Stunde im Studio vergangen ist.

Für Stoeckel, der sich auf seiner Homepage als "Designer und Schauspieler" vorstellt, auf Wikipedia als "It-Boy und TV-Darsteller" bezeichnet und von Kram als "Medienphänomen" angekündigt wird, erfüllte sich vor sieben Jahren der ganz große Traum, endlich berühmt zu werden: Im Januar 2014 nahm der heute 33-Jährige überraschend an der achten Staffel der RTL-Show "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" teil. Vor seinem Ausflug ins Dschungelcamp kannte man ihn eigentlich nur als Selbstdarsteller auf Berliner Promi-Partys und durch einige wenige Mini-Rollen im Fernsehen.
Natürlich sei er von RTL bewusst als "laute, schrille Tunte" gecastet worden, erkennt Stoeckel – und ist stolz, nicht alle Erwartungen des Senders erfüllt zu haben. Etwa als er gar keine Angst hatte, mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug ins Camp zu springen. "Die Leute sehen, da ist zwar eine lustige Tunte, die schreit und schrill ist, aber wenn's drauf ankommt, steht sie ihren Mann."

Mit Johannes Kram ist er sich einig, dass die umstrittene Reality-Show zu mehr LGBTI-Aufklärung und -Akzeptanz beigetragen hat. "Wir durften bei RTL so sein, wie wir sind", sagt Julian F. M. Stoeckel und erinnert auch an seine Camp-Kolleg*innen Olivia Jones und Prince Damien. "Vor 50 Jahren hätte ich so gar nicht auf die Straße gehen können."
Er sehe sich weder als Vorbild noch als Vertreter der queeren Community, meint Stoeckel im Podcast. Er wolle kein Aktivist, sondern einfach nur er selbst sein. Dass er wegen seiner Queerness nicht angefeindet werde, erklärt er mit seinem Auftreten: "Die Leute, egal ob sie mich mögen oder nicht, merken, der steht zu dem, was er ist. Und das honoriert selbst der letzte Prolet im letzten Loch, der sich denkt: Okay, vielleicht will ich nicht so aussehen wie diese Stoeckel, aber es ist okay, dass sie da ist."

Sein heutiges Selbstbewusstsein verdanke er auch seiner Familie, so Stoeckel. Während er in der Schule als queerer Junge gemobbt worden sei, habe er von seinen Eltern und der Verwandtschaft stets volle Unterstützung erfahren. Es ärgere ihn, wenn Personen nur nach Äußerlichkeiten beurteilt werden, und nennt als Beispiel das Lästern über die aufgespritzten Lippen von Harald Glööckler. Er versuche, offen auf alle Menschen zuzugehen, was auch für seine Freundschaft mit dem CDU-Politiker und Ehe-für-alle-Gegner Wolfgang Bosbach gelte. "Wir sprechen selten über Politik. Vielleicht bin ich da zu oberflächlich."
Johannes Kram, sonst um keine Meinung verlegen, hätte in diesem Podcast viele Gelegenheiten gehabt, seinem Gast zu widersprechen, ihn zu korrigieren, zur Rede zu stellen. Doch wenn ein Aktivist auf einen "It-Boy" trifft, geht es in erster Linie ums Zuhören und das Finden von Gemeinsamkeiten. Und das ist rundum gelungen.

"Unser Motto ist hier: Wir sind alle gleich, aber wir sind auch alle anders", sagt Kram in der Anmoderation jeder Sendung. "Ich mache diesen Podcast, weil ich glaube, dass wir in der queeren Community bei allen unseren Unterschieden doch auch ein Gespür dafür haben, eine Art inneres Verständnis, für das, was uns eint. Und ja, ich glaube, dass wir uns alle etwas zu sagen haben."

- Micha Schulze, queer.de, 13. März 2021

Karin Hanczewski und Godehard Giese über ihre 'Act Out'- Bilanz und wie es weitergeht

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Die #ActOut Initiator*innen der Coming-out Aktion von 185 Schauspieler*innen sprechen über die bewegende Entstehungsgeschichte, die Folgen und die nächsten Schritte.

Hätte er gewusst, was #ActOut alles auslösen wird, hätte er es wohl nicht gemacht, lacht Godehard Giese. Der Star aus "Babylon Berlin" und seine "Tatort"-Kollegin Karin Hanczewski sind die Initiator*innen des Manifests von 185 Schauspieler*innen, das am 5. Februar im "SZ-Magazin" veröffentlicht wurde. Drei Wochen später ist das Duo zu Gast im QUEERKRAM-Podcast von Johannes Kram und spricht erstmals gemeinsam über die Vorgeschichte, das Erreichte und die nächsten Schritte.
#ActOut schreibe gerade "deutsche queere Geschichte", sagt Kram in seiner Einleitung. In der Tat ist es den 185 Unterzeichner*innen gelungen, mit einem großen und überraschenden Knall nicht nur queere Sichtbarkeit zu schaffen, sondern vor allem eine gesellschaftliche Debatte über mangelnde Diversität in Film, Fernsehen und Theater zu starten und mehr Bewusstsein für bestehende Diskriminierungen zu schaffen.

Das Medien-Echo war zunächst fast ausschließlich positiv, droht jedoch derzeit umzukippen. In der erbitterten Verteidigung von Sandra Kegels queerfeindlichem "FAZ"-Kommentar zu #ActOut durch SPD-Politiker*innen und Feuilleton-Kolleg*innen zeigt sich, wie schnell die angebliche Offenheit und Unterstützung ins Gegenteil umschlagen kann.

Im Podcast geht es aber vor allem um die Erfolgsgeschichte des Manifests und die "großen Lernprozesse", die die Initiator*innen selbst durchlaufen haben. "Wir haben als weiße cis Homos angefangen", berichtet Godehard Giese. Im Laufe von zwei Jahren – so lange dauerte tatsächlich die Vorbereitungszeit – habe man sich nicht nur für das gesamte LGBTI-Spektrum geöffnet, sondern sei im Hinblick auf Intersektionalität insgesamt viel diverser geworden, so der 48-Jährige. In persönlichen Gesprächen mit Kolleg*innen habe sie viel gelernt, räumt auch Karin Hanczewski ein: "Wenn man Privilegien genießt, sieht man gar nicht, dass es sie gibt."

Für beide war #ActOut ein großer und sehr persönlicher Schritt. Die prominenten Schauspieler*innen erzählen im Gespräch mit Johannes Kram offen von ihren Ängsten und schlaflosen Nächten. Hanczewski machte sich schließlich selbst Mut: "Wenn ich weiter im Schrank bleibe, trage ich zu einer Welt bei, in der ich nicht leben will."

Nach der Veröffentlichung habe sie sich befreit und sexy gefühlt, so die 39-jährige "Tatort"-Schauspielerin. "Die Angst, die mir ständig entgegenbracht wurde, ist nicht mehr meine." Auch Godehard Giese bereut sein Engagement nicht. Es habe seitdem viele Gespräche in der Branche und Einladungen von Entscheidungsträger*innen gegeben. "Aufgrund der großen Gruppe finden wir Gehör", sagt Hanczewski. "Da ist was an Tageslicht gekommen, was vorher versucht wurde, unter den Teppich zu kehren."

Derzeit überlegt die Gruppe, sich mit der Queer Media zusammenzuschließen, um nachhaltige Veränderungen zu erreichen. Einig ist man sich im Podcast, dass mehr queere Personen in Entscheidungspositionen gebraucht werden. Für mehr Diversität vor der Kamera fordert Godehard Giese von den Fernsehsendern echte "Lust" auf Vielfalt, das dürfe nicht nur als "Auftrag" gesehen werden.

Karin Hanczewski kann sich "im Zweifel" sogar eine queere Quote vorstellen: "Wir werden nicht mehr aufhören, das einzufordern, bis es stattfindet."

- Micha Schulze, 27.02.2021 queer.de

Klaus Lederer über 'sanften Druck' auf Wowereit und die soziale Frage in der Pandemie

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Berlins linker Kultursenator spricht über queere Menschen in der Pandemie, Kämpfe mit der SPD, rot-rot-grüne Perspektiven und Queerpolitik als "Generationenaufgabe". In der Queerpolitik ist die Stadt Berlin immer wieder Vorreiterin. Zu den Corona-Weihnachten 2020 erlaubte der rot-rot-grüne Senat als erste Landesregierung auch Begegnungen von Nicht-Verwandten, und mit der "Initiative Sexuelle Vielfalt" trat in der Hauptstadt bereits 2010 der allererste Landesaktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit in Kraft.

An beiden Beschlüssen hat der Linken-Politiker Klaus Lederer, seit 2016 Bürgermeister und Kultur- und Europasenator von Berlin, entscheidend mitgewirkt. Dabei wollte der heute 46-Jährige, als er 2003 erstmals in Abgeordnetenhaus einzog, "gar keine Schwulenpolitik machen", wie er im neuen QUEERKRAM-Podcast von Johannes Kram erzählt. Persönliche Erfahrungen mit Homophobie im Parlament (CDU-Vizepräsident Andreas Gram warf ihm einmal vor, "unverschämt in eigener Angelegenheit" zu agieren) und die Erkenntnis, dass er als damaliger rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion genau am richtigen Hebel sitzt, um Diskriminierungen zu bekämpfen, änderten seine Haltung.

Berlin wurde zwar von 2002 bis 2011 von einer rot-roten Koalition regiert, doch in der SPD habe es viele Blockierer*innen gegeben, berichtet Lederer im Podcast. So habe sich Justizsenatorin Gisela von der Aue 2008 geweigert, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Benachteiligung von eingetragenen Lebenspartnern bei der Hinterbliebenenrente umzusetzen. Erst nach einem Anruf beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und der Drohung, in seinem CSD-Grußwort die SPD-Blockade öffentlich zu machen, habe sich der Koalitionspartner bewegt. Über seinen früheren Chef weiß der Linken-Politiker im Podcast nur Positives zu berichten: "Wowereit war ein Glücksfall für die Stadt", sagt Lederer. Mit einem der "größten und wirksamsten Outing-Acts in dieser Zeit" habe er "enorm viel" für queere Menschen getan.

Im Gespräch mit Johannes Kram geht es auch um rot-rot-grüne Perspektiven für Berlin und den Bund, einen besonders großen Stellenwert nimmt natürlich die Coronakrise ein. Ausführlich spricht der Kultursenator über den Beginn der Pandemie (früher als die anderen Bundesländer ordnete Lederer die Schließung der staatlichen Theater, Opern und Konzerthäuser an). Er hebt die schwerwiegenden Folgen insbesondere für Künstler*innen, die queere Community und andere marginalisierte Gruppen hervor und lobt das Hilfsprogramm seines Senats für Soloselbstständige. Doch er sieht auch zahlreiche Fehler der Politik, die etwa grundlegenden Fragen im Umgang mit Pandemien ausweiche.

Als "unsägliche Diskussion" bezeichnet Lederer die Ende 2020 bei den Bund-Länder-Beratungen beschlossene Bevorzugung leiblicher Verwandter bei den Kontaktbeschränkungen zu Weihnachten. "Ich kenne ganz, ganz viele Menschen, und mir geht es auch selber so, die sich gar nicht so sehr über ihre biologischen Familienbeziehungen definieren, sondern die so etwas wie Wahlverwandtschaften, Wahlfreundschaften viel wichtiger finden", so der Spitzenkandidat der Berliner Linken im Podcast. "Und wenn ich in einer Gesellschaft dermaßen drastische Einschränkungen des Privatlebens verordne, dann muss ich diesen gesellschaftlichen Realitäten Rechnung tragen, und das ist einem Großteil der Ministerpräsident*innen und der Kanzlerin nicht gelungen."

Dass sich die Opposition über die Berliner Ausnahmeregelung nicht aufgeregt habe, wertet Lederer immerhin als "Zeichen, dass sich manche Dinge zum Positiven verändert haben". Auch die Initiative Sexuelle Vielfalt habe in den vergangenen zehn Jahren, "gesellschaftlichen Mindset Stück für Stück verändert", ist sich der Kultursenator sicher, auch wenn die beschlossenen Maßnahmen noch lange nicht ihr Ziel erreicht hätten. Der Kampf gegen Queerfeindlichkeit bleibe eine "Generationenaufgabe".

Micha Schulze auf queer.de, 6. 02. 2021

Kristina Marlen über Sexarbeit, Berührungen und die "heteronormative Fratze"

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Weihnachten ist ein guter Anlass, um über Sex zu reden. Dank der Ministerpräsident*innen dürfen wir – außer in Berlin und Sachsen – über die Feiertage nur Verwandte treffen, nicht aber unsere Wahlfamilien. "So offen hat sich die Fratze der heteronormativen Ordnung selten gezeigt", kommentiert Kristina Marlen im neuen QUEERKRAM-Podcast die diskriminierenden Kontaktbeschränkungen. Für die queere Sexarbeiterin, Künstlerin, Autorin und Feministin aus Berlin ist die irrationale Beschränkung auf die sogenannte Kernfamilie eine "ganz klare Abwertung und Unsichtbarmachung anderer Lebensmodelle".

Für Gastgeber Johannes Kram hat es durchaus etwas mit der klassischen Weihnachtserzählung zu tun, dass nicht nur konservative Politiker*innen Familie ausschließlich über Abstammung definieren. "Unser gesellschaftlich wichtigster Feiertag ist immerhin einer, bei dem wir die Geburt eines Kindes feiern, das vorgeblich ohne Sex entstanden ist", sagt er in seiner Einleitung. "Wir feiern die heilige Familie, die also eine sexlose ist."

Für Kristina Marlen ist es nicht überraschend, dass gerade in der Pandemie die Moralkeule geschwungen wird und Politiker*innen versuchen, ihre konservative Agenda durchzudrücken. Im Podcast berichtet sie von ihren leidvollen Erfahrungen aus der Hurenbewegung und ihren Kampf gegen ein Sexkaufverbot. Die Bestrafung von Freiern nach schwedischem Vorbild würde Sexarbeiter*innen nicht helfen, sondern sie stigmatisieren und gefährden.

"Rechte statt Verbote", lautet ihre Alternative, um Ausbeutung und Gewalt in der Prostitution zu beenden. In ihrem Bemühen um eine "geschlechtergerechte Sexarbeit" – und auch aus persönlichen Vorlieben, wie sie im Podcast verrät – bietet sie seit fünf Jahren bewusst Dienstleistungen für Frauen an. "Sexismus und Patriarchat sind das Problem", nicht die Sexarbeit an sich, von der die Gesellschaft profitiere, so Marlen im Gespräch mit Johannes Kram.

In dem spannenden Podcast geht es in knapp einer Stunde u.a. auch um die Wichtigkeit körperlicher Berührungen, Erfahrungen mit BDSM und das Aufbrechen von Schubladen, das der "Forscherin im Körperlichen" ganz besonders am Herzen liegt. Für Kontroversen dürfte ihr Satz "Man kann das Begehren verändern" sorgen, den einige Hörer*innen als Angriff auf ihre Identität missverstehen könnten. "Ich höre ja nicht auf Lesbe zu sein, weil ich mal mit einem Mann Sex gehabt habe", kontert Marlen und empfiehlt, weniger theoretisch zu streiten als vielmehr konkret über Lust zu reden.

In eine Schublade steckt sich Kristina Marlen in diesem Zusammenhang allerdings selbst: "Meine hauptsexuelle Orientierung ist Schlampe."

Micha Schulze, auf queer.de am 24.12.2020

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Manuela Kay über Schwule gegen Lesben, Berliner Szene und lesbischen Selbsthass

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Die "Siegessäule"-Verlegerin Manuela Kay spricht über ideologische Kämpfe in der Hauptstadt-Community, wann schwule Männer "mal die Klappe halten" sollten und wie lange das Geld der Spendenkampagne noch reicht.

Manuela Kay, Jahrgang 1964, ist eine Szene-Institution, und zwar eine mit echter Berliner Schnauze. Die Autorin, Filmemacherin und Aktivistin hat u.a. Deutschlands ersten Lesbenporno gedreht und mit "Schöner kommen" einen erfolgreichen lesbischen Sexratgeber geschrieben. Das einst rein schwule Berliner Stadtmagazin "Siegessäule" brachte sie als Chefredakteurin auf queeren Kurs, nebenbei konzipierte sie das Lesbenmagazin "L-Mag". Zusammen mit Gudrun Fertig ist sie seit 2012 Verlegerin dieser beiden wichtigen Community-Medien.

Kay hat viel zu erzählen, und im Gespräch mit Johannes Kram plaudert sie im neuen QUEERKRAM-Podcast auch wie erhofft aus dem queeren Nähkästchen mit netten Anekdoten und kleinen Schlägen nach rechts und links. Ein Thema ist natürlich der Dauerstreit in der Hauptstadt-Community, der den Rest der Republik eher nervt. "Die Berliner Szene kann die Pest sein", räumt die "Siegessäule"-Verlegerin ein und bestätigt das Klischee: "Viele sind total abgehoben, die beschäftigen sich nur mit sich selbst." Was freilich gelegentlich auch ein Blick in ihr eigenes Stadtmagazin zeigt…

Schwule und Lesben könnten viel voneinander lernen, glaubt die 56-Jährige. Sie selbst schätze an schwulen Männern den eher lockeren Umgang mit Sexualität, die Freude am Spaß und das Wissen, wie man sich durchsetzt. Damit die Zusammenarbeit mit lesbischen Frauen klappt, sollten schwule Männer "lernen, mal die Klappe zu halten", rät Kay im Podcast. "Sie müssen bereit sein, Lesben auch in entscheidende Positionen zu lassen und von ihrer Macht etwas abzugeben." Im eigenen Verlag sei das gelungen.

Im Gespräch mit Johannes Kram geht es außerdem um lesbischen Selbsthass, die sogenannte Cancel Culture, die Anstellung von AfD-Wähler*innen, Kays großen Frust über Deutschlands lesbische Promis und warum ausgerechnet eine heterosexuelle Fußballnationalspielerin auf das "L-Mag"-Cover kam.

Besonders spannend: Erstmals berichtet die Verlegerin ausführlich über den absolut glücklichen Zufall, der zur erfolgreichen Corona-Spendenkampagne für die "Siegessäule" führte. Mit Unterstützung u.a. des Fotografen Wolfgang Tillmans kamen über 220.000 Euro zusammen, mit denen das Magazin in den vergangenen Monaten über die Runden kam. "Wenn die beschissene Corona-Situation für irgendwas gut ist", so Manuela Kay, "dann dafür zu lernen, dass man sich gegenseitig noch mal anders unterstützt".

Der neue Teil-Lockdown und die Schließung von Bars, Cafés, Restaurants, Kinos und Theatern seit Anfang November bedrohen das Heft nun erneut. "Wenn die untergehen, gehen wir mit unter", sagt die Chefin des werbefinanzierten Magazins über ihre potenziellen Anzeigenkunden. Sie weiß: "So eine Spendenaktion kannst du nur einmal machen."

Micha Schulze, queer.de 7.11.2020

Kevin Kühnert zu queerfeindlichem Terrorismus und einer "Selbstlüge"

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Der SPD-Vizechef spricht über das Desinteresse der Gesellschaft an Queerfeindlichkeit, die Homophobie von Merz und Laschet, die Abwahl von Donald Trump und eine frühere "Selbstlüge".

Vor knapp zwei Wochen forderte Kevin Kühnert im "Spiegel", die politische Linke müsse ihr angebliches Schweigen zu islamistischem Terror beenden – parallel enthüllte das Magazin, dass das Attentat auf zwei Männer in Dresden einen mutmaßlich homofeindlichen Hintergrund hat. In seinem Text konnte der Noch-Juso-Vorsitzende, SPD-Vizechef und Bundestagskandidat nicht mehr darauf eingehen – im neuen QUEERKRAM-Podcast von Johannes Kram hatte er nun dazu die Gelegenheit.

Warum schweigt ein Großteil der politischen Elite zu queerfeindlichem Terrorismus, will Kram, der sich an die Sprachlosigkeit der Bundesregierung nach dem Attentat von Orlando erinnert fühlt, von Kühnert wissen. Der vermutet ein "Missverständnis in der Mehrheitsgesellschaft", die den Wunsch nach Gleichbehandlung als Aufruf interpretiere, über die sexuelle Orientierung zu schweigen.

"Wir müssen auch wegkommen von diesem ritualisierten 'Das ist ein Angriff auf uns alle'", fordert der 31-jährige SPD-Shootingstar in diesem Zusammenhang. Hinter dieser Floskel, die auch am Sonntag bei der vom CSD organisierten Mahnwache in Dresden zu hören war, verberge sich oft ein "weitschweifiges Desinteresse an den eigentlichen Gründen von Angriffen", so Kühnert. "Es ist schön, wenn sich Leute mitangegriffen fühlen und dann Empörung und Widerstand daraus entwickeln, aber angegriffen werden häufig sehr gezielt ganz bestimmte Gruppen."

Im Podcast wagt der Juso-Chef außerdem eine Prognose zur US-Wahl am Dienstag, spricht über seine Strategie gegen Populismus ("Mehr kommunizieren, verständlicher kommunizieren, ja und auch ruhiger kommunizieren") und wie sich der Einsatz für Minderheitenrechte und soziale Gerechtigkeit miteinander verbinden lassen.

Natürlich geht es auch um die Queerfeindlichkeit der Bewerber um den CDU-Vorsitz. Dass Friedrich Merz beim Thema Homosexualität sofort an Pädophilie denkt, interpretiert Kühnert entweder als dessen feste Überzeugung oder bewusste Äußerung, um den rechten Rand zu triggern. "Das ist wie, als wenn Armin Laschet den polnischen Staatspräsidenten empfängt und sagt, ich habe kein Problem, dass er Pole ist, solange er nicht meine Armbanduhr klaut." Als Grund dafür, warum die so offensichtliche Queerfeindlichkeit von Merz in der Union nicht erkannt wird, vermutet der SPD-Vizechef "fehlende Empathie" mit Lesben und Schwulen.

In dem gut einstündigen Gespräch mit Johannes Kram übt Kevin Kühnert, der vor zweieinhalb Jahren in einem "Siegessäule"-Interview erstmals unspektakulär über sein Schwulsein sprach, auch Selbstkritik. Während er vor zwei Jahren noch meinte, seine Homosexualität sei für sein politisches Handeln nicht so relevant, bezeichnete er dies nun als "Selbstlüge". Es sei eine Stärke, die eigene queere Perspektive einzubringen und der "Autorität der eigenen Biografie" zu vertrauen.

Nicht zuletzt geht es im Podcast auch um Privates. Kühnert, der mit der S-Bahn zum Tonstudio gekommen ist, spricht über seinen Versuch, als Spitzenpolitiker "Teil des normalen Lebens" zu sein, erzählt von seinen enormen Kräuterschnaps-Vorräten und seinem Tinder-Profil. Freuen darf man sich auch auf einen bevorstehenden Auftritt in Drag.

Micha Schulte, queer.de 2.11.2020

Linus Giese: "Trans Menschen müssen nicht ihre Existenz erklären!"

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Buchautor Linus Giese spricht über Lust und Leid an der Aufklärung über geschlechtliche Vielfalt, Faulheit und Voyeurismus bei cis Menschen sowie angebliche "Transgenderpropaganda" in Kitas.
"Ein Buch, das fehlte", schrieb Fabian Schäfer im vergangenen Monat hier auf queer.de über den Rowohlt-Bestseller "Ich bin Linus" von Linus Giese. Tatsächlich hat der Berliner Buchhändler, Blogger und Aktivist mit der Schilderung und Reflektion seiner eigenen Transition eine wichtige Lücke geschlossen. Sein Buch bietet zum einen Identifikation und Empowerment für andere trans Menschen, insbesondere Männer, zum anderen Aufklärung für solidarische, neugierige oder verunsicherte cis Personen.
Wie man diese beiden völlig verschiedenen Zielgruppen unter einen Hut bekommt und wie er selbst mit den überwältigenden Reaktionen auf sein Buch umgeht, darüber spricht Giese im neuen QUEERKRAM-Podcast erstmals ausführlich mit Johannes Kram. Der für seine zugespitzten Kurznachrichten bekannte trans Aktivist, dem auf Twitter fast 19.000 Menschen folgen, öffnet sich dabei erstaunlich weit, zeigt sich sympathisch-nachdenklich und vergleichsweise zurückhaltend.

Im Podcast geht es auch über die frustrierende Tatsache, dass über trans Menschen so viel Unsinn erzählt und geschrieben wird. "Ein großer Teil der Gesellschaft kennt sich gar nicht aus", konstatiert Giese und berichtet etwa von hochpeinlichen Messages, die er auf Planetromeo bekommt. Er ist es leid, ständig den Aufklärer zu geben, obwohl er es mit seinem Buch ja dennoch tut. "Trans Menschen müssen nicht ihre Existenz erklären", reagiert er auf dumme Fragen, über die sich jede*r im Internet informieren kann. Dass cis Menschen einfach nicht dazuzulernen wollen, nennt er sehr treffend "Faulheit und Voyeurismus".

Im Gespräch mit Johannes Kram geht es natürlich auch um die Geschichte des Starbucks-Bechers, der das Buchcover ziert, Hass in sozialen Medien, Transfeindlichkeit in der LGBTI-Community und die angebliche "Transgenderpropaganda" in Kitas, die die FAZ im vergangenen Monat erfunden hat. Zum Umgang mit trans Kids hat Linus Giese eine klare Haltung: "Ich bin ein ganz großer Verfechter davon, Kindern zuzugestehen, Dinge ausprobieren zu dürfen und zu gucken, wohin es geht. Ich glaube, dass da kein gesellschaftlicher Schaden entsteht."

- MIcha Schulze, queer,de 26.09.2020

Über diesen Podcast

Mit Johannes Kram vom Nollendorfblog und queer.de haben sich zwei wichtige queere Stimmen Deutschlands zusammengeschlossen, um spannende Menschen (nicht nur) aus der Community vorzustellen und mit ihnen intensiv und sehr persönlich über drängende Themen wie Homophobie, Queerfeindlichkeit, queere Sichtbarkeit oder die Situation von LGBTI* Gesellschaft, Kultur und Medien zu sprechen. Kein anderer ist dafür als Interviewpartner besser geeignet als Johannes Kram, der mit seinem Blog und seinem Buch 'Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber…' den Finger immer wieder tief in die Wunde legt und es gleichzeitig schafft, ein neues Wir-Gefühl in der Community zu schaffen.
(queer.de vom 27.02.2020)
*deutsch für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell/Transgender und Intersexuell

QUEERKRAM wurde im Januar 2021 von Apple als einer der zehn besten neuen Podcasts 2020 ausgezeichnet. Juni 2021 wurde der Podcast mit dem Grimme Online Award in der Kategorie "Kultur und Unterhaltung" prämiert.

Redaktion und Gesamtverantwortung: Johannes Kram
Ton & Technik: Sebastian Pagel

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